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Eine Chance für alle

Was bringt der OrangeCampus? Eine Geschichte, die da anfängt, wo die Kostendiskussion aufhört. Während sich die öffentliche Debatte auf die Risiken versteift, wird oft vergessen, wer alles von einem Sportzentrum im Herzen der Doppelstadt profitiert.

Ein Gelände, das so groß ist wie zweieinhalb Fußballfelder liegt seit knapp 20 Jahren brach.
Wie wäre es mit dieser Vorstellung? Dort, wo seit so langer Zeit nichts passiert ist, geht auf einmal die Post ab. Menschen beider Städte treffen sich, weil sie etwas erleben wollen. Zum Beispiel in einer der drei Sporthallen – die größte bietet Platz für 500 Zuschauer. Die meiste Zeit wird hier allerdings gespielt und trainiert – 95 Prozent der Hallenzeiten sind für Nachwuchs- und Breitensportler reserviert. Oder im Fitnessstudio, das den Blick zur Donau freilässt. Oder eben im Parkgelände, wo Spielplatzbesucher neben Volleyball-Spielern und Basketballern ihren Platz finden. Einen Biergarten gibt es übrigens auch, anstatt für Wohnmobile ist der Stellplatz jedoch für rund 160 Fahrräder reserviert.
Ein Sportpark an der Donau - keine so schlechte Idee!
Eine Utopie? Nein. Ein realistisches Bauvorhaben, das seit Herbst 2014 konkret geplant wird und im Ergebnis 2.032,72 Euro pro Quadratmeter kostet. Wer selbst einmal gebaut hat weiß, dass das nicht teuer ist. Gebaut wird im Übrigen gemäß „kfW Standard 55“, was für ein nachhaltiges Energie-Konzept spricht und konkret heißt: Es werden 45 Prozent weniger Primärenergie verbraucht als bei einem  vergleichbaren, nicht nachhaltig betrieben Neubau.  Den Steuerzahler – also die Bürger der Städte Ulms und Neu-Ulms – kostet dieses Bauvorhaben 4,5 Millionen Euro. „Ein Schnäppchen“, nennt Rainer Juchheim die 1,5 Millionen Euro Zuschuss, die der Neu-Ulmer Stadtrat am 26. Juli einstimmig gewährt hat. 1,5 Millionen Euro sind „kein Schnäppchen“ und das Zitat macht auch nur dann Sinn, wenn es komplett wiedergegeben wird. „1,5 Millionen Euro sind für die Stadt Neu-Ulm ein Schnäppchen, wenn man betrachtet, was damit erreicht wird“, so die vollständige Aussage des Grünen-Politikers.
Nachschub für die Profis - im OrangeCampus können die Jungprofis ideal reifen.
Formal geht es um einen Gebäudekomplex. OrangeCampus, so der Name des Sportzentrums, das BBU ’01 auf dem alten Donaubadgelände errichten möchte. Ein Teil davon wird „ideeller Teil“ genannt. Gemeint ist der Teil, in dem Sport getrieben wird  – der ist 6.980 Quadratmeter groß und kostet 12.200.000 Euro (davon sind 10.450.000 Euro bezuschussungsfähig). Der andere Teil ist dafür da, Einnahmen zu generieren, um den laufenden Betrieb zu gewährleisten und dafür keine weiteren Steuergelder beanspruchen zu müssen. Dieser Teil – also das Fitnesszentrum, ein Bürogebäude, sowie der Gastro- und Shop-Bereich – kostet 10.600.000 Euro. In der öffentlichen Wahrnehmung endet die Diskussion über den OrangeCampus meist genau hier. Dass nur der „ideelle Teil“, also der in dem zumeist junge Menschen ausgebildet werden, gefördert wird – der Rest aber nicht – geht meist unter. Es geht um Zuschüsse, Darlehen und den Unterschied zwischen Eigenmitteln und Eigenkapital. Es geht nicht darum, was erreicht wird. Es geht nur darum, was es kostet.

Um sich vorzustellen, was der OrangeCampus bringt, braucht es etwas Fantasie. Etwas Vergleichbares gab es in der Region ja noch nie. Ein Sportzentrum in unmittelbarer Nähe der Stadtzentren Ulms und Neu-Ulms. Keine Shopping Mall, kein Kino, kein Elektronik-Discounter, oder was den Menschen sonst noch gerne zum Zeitvertreib angeboten wird. Stattdessen ein Gelände, das aktiven Basketballern optimale Trainingsbedingungen bietet – in Halle eins ist eine 160 Meter lange Laufbahn rund um das Spielfeld geplant – und Sport-interessierte Bürger gleichermaßen anspricht. „Sport ist gut für Herz, Kreislauf, Muskeln. Und nicht zuletzt ist Sport gut für das Gehirn! Krankenkassen müssten sich beteiligen, denn das ist echte Prävention“, urteilt Prof. Dr. Manfred Spitzer in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor der psychiatrischen Universitätsklinik Ulm.
Vorbilder zum Anfassen - im OrangeCampus ist das möglich.
Martina Haas sagt: „Ein vergleichbares Projekt kenne ich nur vom VfB Stuttgart.“ Haas ist als Geschäftsführerin des Württembergischen Landesverbandes (WLSB) für Sportentwicklung zuständig. Ihr Verband hat einen Zuschuss für den OrangeCampus in Höhe von knapp 700.000 Euro in Aussicht gestellt. Haas sagt auch: „Ohne Breite keine Spitze. Was BBU ’01 hier macht, ist ein beispielhaftes Zusammenspiel zwischen Breiten- und Leistungssport und Schule und Verein.“.“ In Köln haben unlängst drei Wissenschaftler der Sporthochschule in einer Studie festgestellt, „dass öffentliche Ausgaben für Sportanlagen und Schwimmbäder einen signifikanten positiven Effekt auf die Sportaktivität der Menschen“ haben.

Was BBU ’01 mit dem OrangeCampus im ersten Schritt also erreicht, ist Menschen in Bewegung zu bringen. „Die Menschen zum Sporttreiben zu bewegen, ist nicht nur von Bedeutung für die Volksgesundheit, sondern forciert auch die Entwicklung von sozialer Kompetenz und schafft Arbeitsplätze, ist also ein wichtiges Ziel jeder Gesellschaft“, schreiben Sören Dallmeyer, Dr. Pamela Wicker und Prof. Dr. Christoph Breuer in ihrer Arbeit „Public expenditure and sport participation: An examination of direct, spillover, and substitution effects”. Für Kommunen sollte dieses Ziel also gleichermaßen gelten.

Und Kommunen leben von ihren Vorzeigeobjekten. Zum Beispiel das Ulmer Münster oder Albert Einstein – wer von ihnen spricht, spricht von der Stadt, aus der sie stammen. ratiopharm ulm, das Team, das in der Basketball Bundesliga seit Dezember 2011 bei jedem seiner Heimspiele ausverkauft meldet, bringt die beiden Städte ins Gespräch und verschaffte ihnen bares Geld. Man kann das messen. Das Marktforschungsunternehmen ValuMedia hat das getan und einen Werbewert von 14 Millionen Euro ermittelt. 555 Werbespots bei RTL zur Prime Time müsste die Doppelstadt schalten, um eine vergleichbare Reichweite für sich zu bekommen. Außerdem sorgen die Profis für ein Plus von 7,4 Millionen Euro im kommunalen Säckel – ermittelt aus direkten und indirekten Steuereffekten.

Auch die Profis sollen vom OrangeCampus profitieren. Kurze Wege sind im Leistungssport enorm wichtig. Die Erstversorgung nach einer Verletzung spielt hier eine Rolle, genauso wie die Zeitersparnis, die eine längere Regeneration ermöglicht. „Alles auf einem Grundstück – das wäre ein Riesenschritt für Ulm und den deutschen Basketball“, sagt Basketball-Bundestrainer Chris Flemming. Noch wichtiger als die unmittelbaren Effekte sind die langfristigen Auswirkungen. Ein Club, der in den letzten sechs Jahren fünf Mal im Halbfinale und zweimal im Finale stand, aber trotzdem nicht zu den finanziellen Alphatieren der Bundesliga gehört, muss sich etwas einfallen lasse, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Er muss eine Nische finden, die ihn auszeichnet.
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